Die Drüsenhaare der Blüten und die Triebspitzen der weiblichen Hanfpflanze bilden ein Harz, das etwa 120 Cannabinoide enthält. Hierzu gehören das psychotrop wirksame Δ9-Tetraydrocannabinol (= Δ9-THC bzw. Dronabinol) und das Cannabidiol (CBD). Ihr Gehalt und ihr Verhältnis zueinander kann stark variieren.
Tetracannabinole können die Wahrnehmung verändern und ein Hochgefühl auslösen, weshalb sie eine beliebte Rauschdroge sind. Als „Marihuana“ bezeichnet man die Mischung geschnittener Triebspitzen und Blüten der weiblichen Hanfpflanze, die 0,5 bis 2 % Δ9-THC enthalten. Das zu Stangen und Platten verarbeitete braune Harz, („Haschisch“) enthält 2 bis 8 % Δ9-THC. Da Cannabinoide fettlöslich sind, kann man aus den weiblichen Sprossspitzen auch Cannabisöl gewinnen, das 20 % Δ9- THC enthält. Dieses Öl ist nicht identisch mit dem ebenfalls verfügbaren CBD-Öl, das Cannabidiol enthält.
Medizinischer Einsatz von Cannabis
Medizinisch wird Cannabis beispielsweise in der Schmerztherapie, zur Behandlung von Spastiken bei Multipler Sklerose sowie bei Übelkeit und Erbrechen während einer Chemotherapie eingesetzt:
- Cannabisblüten zur Inhalation oder zur Zubereitung von Tee
Die Inhalation erfolgt bei akuten Beschwerden mit einem Vaporisator, weil die Wirkung schnell einsetzt. Beim Tee setzt die Wirkung langsamer ein. Da die Dosierung hier schwieriger ist, werden Cannabisblüten selten als Tee verordnet. - Cannabisextrakt zur Einnahme als Kapseln und Tropfen oder als Mundspray
- Das synthetisch gewonnene Nabilon wird zur Behandlung von Übelkeit und Erbrechen nach Chemotherapie verwendet.
- Nabiximols besteht zu gleichen Teilen aus THC und Cannabidiol (CBD) und wird zur Behandlung einer Spastik bei Multiple-Sklerose eingesetzt.
- Dronabinol (= Δ9-THC) wird in Kapseln oder als ölige Lösung zum Einnehmen sowie als alkoholische Lösung zum Inhalieren verabreicht. Es lindert Brechreiz, regt den Appetit an und wirkt relaxierend und sedierend.
- Cannabidiol (CBD) gehört zu den Hauptpflanzenstoffen der Hanfpflanze und moduliert spezielle Rezeptoren des körpereigenen Endocannabinoidsystems, aber auch Signalwege von Opioiden, Serotonin und Adenosin. Der exakte Wirkungsmechanismus ist noch nicht entschlüsselt ist. Es gibt unter anderem Hinweise auf anxiolytische, neuroprotektive, sedierende, analgetische und weitere Wirkungen, die wissenschaftlich noch nicht anerkannt sind. Medizinisch wird es nur zu Behandlung von Epilepsie bei Kindern und zur Linderung von Spastiken bei MS-Patient*innen eingesetzt. CBD-haltige Produkte dürfen in Deutschland maximal 0,2 % THC enthalten. CBD-Öle werden derzeit als Aromaöle vertrieben, weil unklar ist, ob CBD-Öle ein Medikament oder ein Novel-Food sind.
- Hanföl ist ein fettes Öl, das ungesättigte Fettsäuren wie Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren enthält. Es wird aus den grauen Früchte der Hanfpflanze gewonnen und liefert keine Cannabinoide. Hanföl kann unter anderem zur Hautpflege genutzt werden.
Wenn Cannabis und Arzneistoffe wechselwirken
Als Stoffgemisch mit über 500 Pflanzenstoffen kann Hanf zahlreiche Wechselwirkungen mit Medikamenten verursachen. Das gilt vor allem für Patienten, die aufgrund zahlreicher Erkrankungen bereits mehrere Arzneistoffe zu sich nehmen. Auch wenn gesicherte wissenschaftliche Informationen zu Wechselwirkungen von Cannabis mit Medikamenten noch fehlen, warnen zahlreiche medizinische Fachgesellschaften vor den Folgen einer gemeinsamen Anwendung.
Cannabis kann die Reise von Arzneistoffen durch den Organismus verändern, insbesondere deren Transport und ihren Metabolismus. Hierbei handelt es sich um pharmakokinetische Wechselwirkungen. Dies kann sich wie folgt auswirken:
- Cannabis und die Plasma-Protein-Bindung
Cannabinoide haben eine Plasma-Protein-Bindung (PPB) von 95–99 %. Sie können daher andere Arzneistoffe von Transportproteinen im Blut verdrängen. Dies kann die Wirkung der betroffenen Arzneistoffe ebenso erhöhen wie das Risiko für Nebenwirkungen. Beispielsweise können die Serumspiegel von direkten oralen Antikoagulantien (DOAKs) wie Apixaban, Dabigatran oder Rivaroxaban unter dem Einfluss von Cannabis ansteigen, so dass das Risiko für Blutungen zunehmen kann. - Cannabis und die Aktivität der Leberenzyme
Cannabinoide beeinflussen die Aktivität zahlreicher Subtypen wichtiger Leberenzyme. Diese Enzyme aus der Cytochrom P450 (CYP)-Familie sind von großer Relevanz für die Bioverfügbarkeit von Arzneistoffen. Betroffen sind beispielsweise CYP3A4, CYP2D6 und CYP2C9.- Werden diese CYP-Enzyme in ihrer Fähigkeit zum Abbau eines Medikaments beeinträchtigt, steigt der Plasmaspiegel des Wirkstoffs; seine Wirkung wird verstärkt und das Risiko für Nebenwirkungen nimmt zu. Betroffen sind zum Beispiel Patient*innen, die Antidepressiva nehmen, weil deren Wirkung verstärkt werden kann. Auch Patient*innen, die einen Vitamin-K-Antagonisten wie Phenprocoumon als Gerinnungshemmer brauchen, müssen aufpassen. Sie haben unter Umständen ein erhöhtes Blutungsrisiko.
- Einige Arzneistoffe werden durch CYP-Isoenzyme in ihren aktiven Metaboliten umgewandelt. Eine Stimulation der Enzymaktivität durch Cannabis führt zu höheren Plasmaspiegeln der Arzneistoffe, eine Hemmung der Aktivität der Enzyme beeinträchtigt die Bereitstellung der aktiven Metaboliten – mitunter mit erheblichen Auswirkungen auf die Wirkung der Arzneistoffe. Ein Beispiel ist der Gerinnungshemmer Clopidogrel. Unter dem Einfluss von Cannabis wird die Umwandlung in seinen aktiven Metaboliten gedrosselt, so dass das die antithrombotische Wirkung des Arzneistoffs reduziert wird.
- Cannabis wird selbst von einigen Vertretern der CYP 450-Familie abgebaut, wobei THC und CBD durch unterschiedliche Enzyme deaktiviert werden. Arzneistoffe, die die Aktivität dieser Enzyme beeinflussen, können die Bioverfügbarkeit, Wirkung und Verträglichkeit von Cannabis verändern. Die Wirkung von Cannabis kann verstärkt oder gehemmt werden.
So hemmen einige Medikamente CYP3A4 und können auf diese Weise die THC-Spiegel im Blut deutlich erhöhen. Hierzu gehören gängige Protonenpumpenhemmer wie Pantoprazol und Omeprazol. Eine Liste von CYP3A4-Inhibitoren kann im Flexikon (https://flexikon.doccheck.com/de/CYP3A4-Inhibitor) eingesehen werden. Hinweise auf eine verstärkte Wirkung von Cannabis können Schwindel, Stürze, Fatigue und Schwäche sowie psychische Störungen wie Depression oder Desorientiertheit sein. Auch Mundtrockenheit wird beobachtet.
Patient*innen, die medizinisches Cannabis brauchen, müssen Induktoren der Enzyme meiden, um die Bioverfügbarkeit von THC und CBD nicht zu beeinträchtigen. Beispielsweise sollte eine gemeinsame Anwendung mit Johanniskraut unterbleiben.
- Cannabis und die zellulären Transportproteine
Einige Transportproteine schleusen Arzneistoffe in die Zelle bzw. aus der Zelle heraus. Cannabis interagiert mit einigen dieser Transportproteine und kann auf diese Weise die Wirkung von Medikamenten beeinflussen. Beispiele sind P-Glykoprotein (P-gp), das sich in der Zellmembran vieler Zellen befindet, und das „Breast Cancer Related Protein“ (BCRP). Beide schleusen Arzneistoffe aus der Zelle. Indem Cannabinoide diese Transporter hemmen, verzögern sie den Abtransport der Arzneistoffe aus der Zelle und verlängern ihre Wirkung. Betroffen ist zum Beispiel Verapamil, ein Calciumantagonist, der zur Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen verordnet wird.
Vorsicht bei Arzneistoffen mit Wirkung auf das zentrale Nervensystem
Cannabis-Konsum wirkt sich jedoch nicht nur auf den Transport und den Stoffwechsel von Arzneistoffen aus. Es können sich auch Überlagerungen bei den pharmakologischen Wirkungen ergeben, weil Cannabis agonistisch auf das endogene Cannabinoid-System und zentral dämpfend wirkt. Das Endo-Cannabinoide System steuert zum Beispiel die geistige Leistungs- und Lernfähigkeit, das Gedächtnis, die Stressverarbeitung sowie das Sättigungsgefühl.
Die gemeinsame Anwendung von Cannabis mit Arzneistoffen, die einen dämpfenden Einfluss auf das zentrale Nervensystem haben wie Sedativa, Hypnotika und Psychopharmaka, aber auch Muskelrelaxantien, bedarf daher einer sorgfältigen Abwägung von Nutzen und Risiken.
Patient*innen, die unter Depressionen, Manie, Psychosen, Schizophrenie oder Persönlichkeitsstörungen leiden, sollten ebenso auf Cannabis verzichten wie Schwangere, Stillende und Patient*innen mit Hypertonie oder schweren Herz-Kreislauf-Erkrankungen, da Cannabis den Blutdruck anheben und eine Tachykardie auslösen kann.
Wirkung von THC und CBD aus Sicht der TCM
CBD bewegt das Leber-Qi und beruhigt inneren Wind und Shen. Dabei löst es eine Leber-Qi-Stagnation und eine damit verbundene Hitze. THC kann Hitze (Euphorie, Hypertonie, Tachykardie, Heißhunger, Kreativität) und Schleim (Trägheit, Konzentrations-, Gedächtnis- und Wahrnehmungsstörungen, Panik, Besessenheit) verursachen, indem es dämpfend auf das zentrale Nervensystem wirkt. Denkbar wäre, dass es zerstreuend wirkt, Qi verbraucht und damit eine Qi-Stagnation auslöst, die mit einer Stagnation der Flüssigkeiten einhergeht. Dies würde die Bildung von Schleim bei regelmäßigem Konsum von Cannabis erklären (Trägheit, Konzentrations-, Gedächtnis- und Wahrnehmungsstörungen, Ängste, Stimmungstiefs), einem Schleim, der unter Umständen die Herzöffnungen vernebelt. Darüber hinaus kann sich Schleim in der Lunge durch Husten und Bronchitis zeigen. Ist das Lungen-Qi beeinträchtigt, kann es nicht mehr absenken und es kommt zu Atemnot.
Zum Weiterlesen:
https://www.doccheck.com/de/detail/articles/35631-wechselwirkungen-cannabis-treibts-mit-allen
https://www.kalapa-clinic.com/de/medizinisches-cannabis-medikamente/
https://www.aerzteblatt.de/archiv/arzneimittelinteraktionen-von-tetrahydrocannabinol-und-cannabidiol-in-cannabinoiden-arzneimitteln